Als Gott dem Körper Adams, der nur aus Erde und Wasser bestand, den reinen Atem des Lebens einhauchte, wünschte er nicht, dass die Engelscharen davon erfuhren oder es auch nur ahnten. Daher sprach er zu ihnen: „Werft euch vor Adam nieder, ihr himmlischen Geister!“
Alle verneigten sich bis zur Erde, und als ihre Gesichter im Staub lagen, hauchte Gott Adam den Atem des Lebens ein, und keiner von ihnen gewahrte das Geheimnis, das Gott vor ihnen verbergen wollte - niemand außer Luzifer, der sich sagte: „Niemand soll mich die Knie beugen sehen. Selbst wenn mein Kopf von meinem Körper abfallen sollte, wäre das nicht so schlimm, wie nach Gottes Wunsch zu handeln. Ich weiß sehr wohl, dass es nicht allein darum geht, dass Adam auf der Erde ist, und ich weiß auch, dass er nicht nur aus Erde besteht; also weigere ich mich, den Kopf zu neigen und das Geheimnis nicht zu sehen.“
So schaute Luzifer zu, statt sich zu verneigen, und sah das Geheimnis. Hinterher sagte Gott: „O du, der du mir aufgelauert und mir mein Geheimnis gestohlen hast! Zur Strafe werde ich deinen Tod herbeiführen, denn ich will nicht, dass irgendein Wesen außer mir davon weiß. Wenn ein irdischer König einen Schatz versteckt, tötet er den Menschen, der dabei ist und es gesehen hat. Du bist dieser Mensch.“
„Herr“, sagte Luzifer, „gewähre mir einen Aufschub, denn ich bin dein Diener, und erkläre mir, wie ich meine Sünde wiedergutmachen kann.“ „Da du mich darum bittest“, sagte Gott, „will ich dir einen Aufschub gewähren. Doch von diesem Augenblick an lege ich dir die Kette des Fluchs um den Hals und verhänge die Namen `Lügner´ und `Verleumder´ über dich, damit jeder vor dir auf der Hut sei bis zum Tage der Auferstehung.“
Luzifer antwortete: „Was habe ich von deinem Fluch zu befürchten, nun, da mir dieser reine Schatz offenbart worden ist? Nicht nur der Fluch, sondern auch die Gnade kommt von dir. Für jedes Gift gibt es ein Gegengift. Manche Geschöpfe verfluchst du, andere segnest du. Nun, da ich gefehlt habe, gehöre ich zu den verfluchten Geschöpfen.“
Wenn ihr das Geheimnis, von dem ich spreche, nicht entdecken und verstehen könnt, liegt das nicht daran, dass es nicht existiert, sondern daran, dass ihr nicht richtig danach sucht. Macht ihr Unterschiede zwischen den Dingen, die von Gott kommen, befindet ihr euch nicht auf dem Weg des Geistes. Wenn ihr glaubt, dass der Diamant euch ehrt und der Stein euch erniedrigt, ist Gott nicht mit euch. Ihr solltet den Diamanten nicht lieben und den Stein nicht verabscheuen, denn beide kommen von Gott. Wenn deine Geliebte in einem Augenblick der Erregung einen Stein nach dir wirft, ist das besser als ein Edelstein von einer anderen Frau.
Auf dem Wege der Selbstvervollkommnung darf man keinen Augenblick säumig sein. Wer auch nur einen Augenblick aufhört, an sich zu arbeiten, der wird sofort zurück gleiten.
AUSZUG AUS GANJA-NAMA, DEM BUCH DER SCHÄTZE VON OSMAN AMRU